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ihm ein Töpfchen, zu dem sollt' es sagen: „Töpfchen koche!" so
kochte es guten süßen Hirsenbrei; und wenn es sagte: „Töpfchen
steh!" so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte
den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armut
und ihres Hungers kedig und aßen süßen Brei, so oft sie wollten.
Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen. Da sprach die
Mutter: „Töpfchen koche!" Da kocht es, und sie ißt sich satt;
nun will sie, daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie
weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt
über den Rand hinaus und kocht immer zu, die Küche und das
ganze Haus voll und das zweite Hans und dann die Straße,
als wolllls die ganze Welt satt machen, und ist die größte Not,
und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich wie nur noch
ein einziges Hans übrig ist, da kommt das Kind heim und
spricht nur: „Töpfchen steh!" Da steht es und hört auf zu kochen,
und wer wieder in die Stadt wollte, der mußte sich durchessen.
16. Das Brot im Weg.
Im Weg das Krümchen Brot
tritt nicht mit deinem Fuß,
weills in des Hungers Not
ein Tierlein finden muß.
Güll.)
Leg's auf den Stein vorm Hans,
und kannst du, brosel's klein;
still dankt es dir die Maus
und still das Vögelein.
17. Das Haus.
(O. Schulz.)
Wenn ich vor dem Hause meines Vaters stehe, so sehe ich
das Dach, die Mauern, die Thür und die Fenster. Die Mauern
sind von gebrannten Steinen, das Dach ist mit Ziegelsteinen ge-
deckt, die Thür ist von Holz, und die Fenster sind von Glas.
Die Fenster lassen das Sonnenlicht in das Haus hinein;
die Hausthür ist dazu, daß man zum Hause hinein und heraus
kann. Bei Nacht wird die Hausthür verschlossen und verriegelt,
damit nicht Diebe hinein kommen.
Durch die Hausthür gelangen wir auf den Flur des Hauses;
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Strümpfen und Tuch liefert, Talg zu Seife und Lichten, Leder zu
Schuhen und Handschuhen, Saiten zu Violinen und dem großen Brumm-
basse und endlich schmackhaften Braten. Und das alles giebt uns das
Schaf reichlich, weshalb man es auch seit den ältesten Zeiten zum Haus-
tiere gemacht hat. Die Bibel erzählt, daß Abel, der fromme Sohn des
ersten Elternpaares, ein Schäfer gewesen sei.
Junge Schäfchen springen so lustig umher wie Kinder; alte haben
dagegen einen bedächtigen Gang und sehen immer ernst aus.
171. Das geschorene Schäfchen.
(Staub.)
1. Ein Schäfchen wurde zum ersten Mal geschoren, und es hielt ge-
duldig stille. Als es aber geschoren war, wurde es traurig; denn es fror
sehr, so daß das arme Tierlein am ganzen Leibe zitterte. Und das sah
der liebe Gott im Himmel, liitb er schickte ein warmes Lüftchen und
schönen Sonnenschein. Da wurde das gute Schäfchen wieder munter
und froh.
2. Das Schäflein hatte einer Bäuerin gehört, und die Bäuerin hatte
ein kleines lustiges Büblein. Es war aber Winter geworden. Da war
das Büblein nicht mehr lustig; denn es war so kalt, und das Büblein
zitterte oft vor Frost. Die Mutter aber strickte ihm aus der Wolle des
Schäfleins ein warmes Leibchen und ein Paar warme Strümpfe ititi)
legte alles dem Büblein an. Da wurde es wieder lustig und munter,
und es freute sich, daß der liebe Gott ihm das Schäfchen gegeben, das
so warme Wolle für die Menschen hat.
172. Rätsel.
Es ging ein Tier die Straß' entlang,
das hatte Ohren, wer weiß wie lang,
vier Beine und ein graues Fell.
Nun rate mir das Tierlein schnell!
173. Der beladene Esel.
(Fabel. — Nach Äsop.)
Ein Esel, der mit Salz beladen war, mußte durch ein Gewässer
gehen. Mitten in demselben legte er sich aus einige Augenblicke nieder,
und als er wieder ausstand, fühlte er sich um einen großen Teil von
seiner Last erledigt, weil das Salz im Wasser zerflossen war. Den
Kunstgriff will ich mir merken! dachte er, und setzte seinen Weg fort.
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sie an ein frisches, klares Wässerchen und sahen, daß es gut zum Trinken
war. Das Hähnchen wollte sich sogleich darüber her machen, aber das
Hühnchen sagte: „Nein, liebes Hähnchen, noch nicht! Warte doch noch ein
wenig, bis du kühl bist. Ich trinke ja auch nicht eher." Allein das
Hähnchen war eigensinnig und trank, so viel ihm nur schmeckte. Doch
ehe sie nach Hause kamen, wurde es plötzlich krank und mußte aus deut
Felde liegen bleiben. Das Hühnchen lief eilends ttach Hanse und brachte
ihm Hilfe. Der Arzt machte auch endlich das Hähnchen wieder gesund;
allein es mußte lange im Bette liegen, viel bittere Arzenei nehmen und
viele Schmerzen leiden.
Nun glaubte das Hühnchen, das unvorsichtige Hähnchen habe doch
endlich warten gelernt. Aber als der Winter kam und das Wasser zufror,
da wollte das Hähnchen doch wieder ans das Eis gehen, ehe es noch fest
gefroren war. Da sagte das Hühnchen: „Liebes Hähnchen, ich bitte dich,
warte nur noch einen einzigen Tag; dann wollen wir zusammen auf das
Eis gehen." Aber das Hähnchen folgte auch diesmal nicht. Es ging
fort ans das dünne Eis, brach ein und ertrank.
178. Dorfmusik.
(Tieffenbach.)
Hoch auf dem Zaun der Gockelhahn
fängt die Musik mit Krähen an;
die Hühner stimmen lustig ein,
die Gans will auch nicht stille sein.
Die Ziege meckert in dem Stall,
es blöken laut die Schäflein all',
es bellt der Hund, und grunzend schrein
die Schweine alle, groß und klein.
Das Spätzlein selbst mit hellem Klang
stimmt an den lieblichsten Gesang;
im tiefsten Basse brummt dazu
im Stalle hier die alte Kuh.
Die Drescher in der Scheune dort,
sie schlagen flink in einem fort
den Takt dazu, daß laut es knallt
und weit durchs ganze Dorf hinschallt.
Das quiekt und schreit, das pfeift und summt,
das klopft und grunzt, das blökt und brummt! —
Wer hört je in der Stadt solch Stück? —
Das ist die lnst'ge Dorsmnsik! —
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83
Die Mutter erschrak und sagte: „Gieb das Geld den Augen-
blick wieder zurück! denn es ist gewiß aus Versehen in den Teig
hinein gekommen."
Franziska trug es zurück. Allein der wohlthätige Mann
sprach: „Nein, nein, es war kein Versehen. Ich habe das Geld
in das kleinste Brot Hineinbacken lassen, um dich, du gutes Kind,
zu belohnen. Bleibe immer so genügsam, friedfertig und nach-
giebig. Wer lieber mit dem kleinern Brote zufrieden ist, als um
das größere zankt, dem bringt es reichlichern Segen, als wäre
Geld in das Brot hinein gebacken.
Genügsam, friedlich, dankbar sein,
bringt mehr, als Zanken, Streiten ein.
135. Die zwei Wanderer.
(Nach Krummacher.)
Zwei Wanderer zogen gemeinsam iiber Land. Als sie unter-
wegs ausruhten in einer Herberge, erscholl plötzlich das Geläut
der Glocken und ein Geschrei, daß eine Feuersbrunst in dem Dorfe
sei. Da sprang der eine Wanderer auf, warf seinen Stab und
Bündel von sich, um eilends zu helfen; der andere aber hielt ihn
zurück und sprach: „Weshalb sollen wir hier verzögern? Sind nicht
Hände genug zum Helfen? Was kümmern uns die Fremden!"
Aber jener hörte nicht auf die Rede, sondern lief hinaus
zu dem brennenden Hause; nun folgte der andere langsam und
stand und sahe zu von ferne.
Vor dem brennenden Hause aber stand eine Mutter wie
erstarrt und rief: „Meine Kinder! meine Kinder!" Als der Fremd-
ling solches horte, sprang er in das brennende Haus zwischen die
krachenden Balken, und die Flamme schlug um ihn her. Das
Volk aber ries: „Der ist verloren!"
Als man aber harrete eine Weile, siehe, da trat er hervor
mit versengtem Haar und trug zwei Kindlein auf den Armen
und brachte sie der Mutter. Da umarmte sie die Kinder und
fiel dem Fremdling zu Füßen. Dieser aber hob sie auf und tröstete
sie. Unterdessen stürzte das Haus zusammen. Als er nun zu
seinem Gefährten zurückkam, sagte dieser: „Wer hieß dich doch
6*
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198, Vom Bäumlein, das spazieren ging.
(Rückert.)
Das Bäumlein stand im Wald
in gutem Aufenthalt;
da standen Busch und Strauch
und andre Bäumlein auch;
die standen dicht und enge,
es war ein recht Gedränge;
das Bäumlein mußt sich bücken
und sich zusammendrücken.
Da hat das Bäumlein gedacht
und mit sich ausgemacht:
Hier mag ich nicht mehr stehn,
ich will wo anders gehn
und mir ein Örtlein suchen,
wo weder Birk' noch Buchen,
wo weder Tann' noch Eichen
und gar nichts desgleichen;
da will ich allein mich Pflanzen
und tanzen.
Das Bäumlein, das geht nun fort
und kommt an einen Ort
in ein Wiesenland,
wo nie ein Bäumlein stand;
da hat sich's hingepflanzt
und hat getanzt.
Dem Bäumlein hat's vor allen
an dem Örtlein gefallen;
ein gar schöner Bronnen
kam zum Bäumlein geronnen;
war's dem Bäumlein 31t heiß,
kühlt's Brünnlein seinen Schweiß.
Schönes Sonnenlicht
war ihm auch zugericht;
war's dein Bäumlein zu kalt,
wärmt die Sonn' es bald.
Auch ein guter Wind
war ihm holdgesinnt;
der half mit seinem Blasen
ihm tanzen ans dem Rasen.
Das Bäumlein tanzt und sprang
den ganzen Sommer lang,
bis es vor lauter Tanz
hat verloren den Kranz.
Der Kranz mit den Blättlein allen
ist ihm vom Kopf gefallen;
die Blättlein lagen umher,
das Bäumlein hat keines mehr.
Die einen lagen im Bronnen,
die andern in der Sonnen,
die andern Blättlein geschwind
flogen umher im Wind.
Wie's Herbst nun war und kalt,
da fror's das Bäumlein bald;
es rief zum Brunnen nieder:
„Gieb meine Blättlein mir wieder,
damit ich doch ein Kleid
habe zur Winterszeit."
Das Brünnlein sprach: „Ich kann
eben
die Blättlein dir nicht geben;
ich habe sie alle getrunken,
sie sind in mich versunken."
Da kehrte von dem Bronnen
das Bäumlein sich zur Sonnen:
„Gieb mir die Blätter wieder,
es friert mich an die Glieder!"
Die Sonne sprach: „Nun eben
kann ich sie dir nicht geben.
Die Blätter sind längst verbrannt
in meiner heißen Hand."
Da sprach das Bäumlein geschwind
zum Wind:
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125
„Gieb mir die Blättlein wieder,
sonst fall' ich tot darnieder."
Der Wind sprach: „Ich eben
kann dir die Blättlein nicht geben;
ich hab' sie über die Hügel
geweht mit meinem Flügel."
Da sprach das Bünmlein ganz still:
„Nun weiß ich, was ich will.
Da haußen ist mir's zu kalt,
ich geh in meinen Wald,
da will ich unter die Hecken
und Bäume mich verstecken."
Da macht sich's Bäumlein auf
und kommt in vollem Lauf
zum Wald zurückgelaufen
und will sich stell'n in den Hansen,
's fragt gleich beim ersten Baum:
„Hast du keinen Raum?"
Der sagt: „Ich habe keinen; "
da fragt das Bünmlein noch einen,
der hat wieder keinen;
es fragt von Baum zu Baum,
aber kein einz'ger hat Raum.
Sie standen schon im Sommer-
eng in ihrer Kammer;
jetzt im kalten Winter
stehn sie noch enger dahinter.
Dem Bäumchen kann nichts frommen,
es kann nicht unterkommen.
Da geht es traurig wener
und friert, denn es hat keine Kleider;
da kommt mittlerweile
ein Mann mit einem Beile;
der reibt die Hände sehr,
thut auch, als ob's ihn fror'.
Da denkt das Bünmlein wacker:
Das ist ein Holzhacker,
der kann den besten Trost
mir geben für meinen Frost.
Das Bäumlein spricht schnell
zum Holzhacker: „Gesell,
dich friert's so sehr wie mich
und mich so sehr wie dich.
Vielleicht kannst du mir
helfen und ich dir!
komm, hau mich um
und trag mich in deine Stub'n,
schür ein Feuer an
und leg mich dran;
so wärmst du mich
und ich dich."
Das deucht den Holzhacker
nicht schlecht;
er nimmt sein Beil zurecht,
haut's Bünmlein in die Wurzel,
umfällt's mit Gepurzel.
Nun hackt er's klein mib kraus
und trägt das Holz nach Haus
und legt von Zeit zu Zeit
in den Ofen ein Scheit.
Das größte Scheit von allen
ist uns fürs Haus gefallen;
das soll die Magd uns holen,
so legen wir's ans die Kohlen;
das soll die ganze Wochen
uns unsre Suppen kochen.
Oder willst du lieber Brei?
Das ist mir einerlei.
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lief): „Schöllen Dank! Wenn ich zurückkomme, will ich es thun; jetzt bin
ich noch nicht müde." Darauf traf er die Maiblume an, die sprach:
„Komm zu mir und rieche meinen Duft!" Der Knabe ging hin, und weil
sie so lieblich roch, sprach er: „Maiblümchen, ich will dich mitnehmen zu
meiner Mutter." Und die Blume war es zufrieden. Nun erblickte er
die rote Erdbeere; die rief ihm auch zu: „Komm, pflücke mich, ich bin
reif." Da antwortete der Knabe: „Erdbeerchen, dich will ich meiner
Schwester mitnehmen." Und sie ließ sich gerne brechen. Zuletzt kam der
Knabe zu der Tollkirsche; die ries ihm auch zu: „Komm, iß mich, ich bin
reis." Der Knabe aber antwortete: „Ich will dich nicht essen, du siehst
mir giftig aus. Aber ich will dich abbrechen und meinem Vater zeigell,
der kennt dich besser als ich."
202. Die Kinder im Walde.
(Pocci.)
Es blieben einst drei Kinder stehn,
die grad zur Schule sollten gehn.
Sie dachten dies ulid dachten das,
das Lernen sei ein schlechter Spaß,
und sprachen dann mit leichtem Sinn:
Ei, laßt uns doch zum Walde hin!
Das Spielen ist der Tierlein Brauch,
laßt spielen uns mit ihnen auch.
Sie luden dann im Walde ein
zum Spiel die Tiere groß und klein.
Doch sprachen die: Es ist uns leid,
wir haben jetzo keine Zeit.
Der Käfer brummte: Das wär' schön,
wollt' ich mit euch so müßig gehn.
Ich muß aus Gras ein Brücklein bauen,
dem alten ist nicht mehr zu trauen.
Am Ameishaufen schlichen sie
ganz leis vorbei, ich weiß nicht wie,
und liefen vor dem Bienlein schier,
als wär' es gar ein giftig Tier.
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211. Wie der arme Schneemann im Frühling klagt.
(Löwenstein.)
„Was helfen mir die Pelze?
Ich armer Mann zerschmelze;
der Kopf ist schon zerronnen,
der Rumps auch hat begonnen.
O weh, schon kommt ein warmer Hauch,
der nimmt mir fort auch meinen Bauch.
Bald geht's beim Sonnenscheine
mir gar auch an die Beine.
Wie kann ich denn noch stehen?
Ich muß, ich muß zergehen!
Ach, wär' ich armer Schlucker
* doch wenigstens von Zucker,
daß dann ein gutes Kindlein käm'
mit) mich zu sich nach Hause nähm'!" —
Nicht wahr, mein Kind, auch dir wür's recht —
du weißt ja, Zucker schmeckt uicht schlecht —
wenu all' der Schnee hier um dich her
nur lauter, lauter Zucker wär'? —
212. Die Boten des Frühlings.
Wenn der Winter auf der Erde König ist, dann stecken alle Blümchen
noch tief in der Erde und warten mit Ungeduld auf die Zeit, wo sie wieder
hervorkommen dürfen an die wieder erwärmte Luft und die freundlichen
Sonnenstrahlen. Der Frühling aber spricht zu ihnen: „Folgt mir hübsch,
meine lieben Kinder, seid nicht so ungeduldig und wartet sein, bis euch
erlaubt wird, hervorzukommen und eure Blätter und Blüten zu entfalten.
Wer aber vorwitzig und neugierig ist, der wird allemal zu Schaden
kommen." Wenn der Frühling also spricht, dann klagen die Blümlein
nicht mehr so laut, aber viele denken doch: „Warum sollen wir nun so
lange in der finstern Erde stecken und nicht heraufkommen an das liebe
Sonnenlicht?"
Sobald nun des Winters Königreich sich zu Ende neigt, ruft der
Frühling das Schneeglöckchen und spricht: „Geh jetzt hinauf mit deinen
grünen Blättern und weißen Blüten. Du sollst mein Bote sein an die
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Menschen, damit sie sehen, daß ich nun bald kommen werde mit allen
meinen Kindern." „Aber," spricht dann das Glöckchen, „du hast uns ja
gesagt, daß es rauh, kalt und garstig ist, wenn der Winter auf der Erde
ist. Muß ich armes Blümchen da nicht erfrieren und umkommen?" „Thue
nur nach meinem Gebote," erwiderte der Frühling, „ein gutes Kind ge-
horcht stets gern, auch wenn es den Willen seines Vaters nicht versteht.
Weil du aber ein folgsames und verständiges Kind bist, so will ich dir
sagen, warum du unter allen zuerst und allein hinaufgeschickt wirst auf
die Erde, wo noch rauher Winter ist. Der liebe Gott hat deine Blätter
und Blumen so gemacht, daß dir die rauhe kalte Luft und der garstige
Schnee gar nichts schaden, so daß du gerade da am schönsten grünen und
blühen kannst. Deine Schwestern würden aber verkümmern und sterben,
denn was der eine thun und vertragen kann, das kann nicht auch jeder
andere."
Da gehorchte das Schneeglöckchen und bohrte seine spitzigen schmalen
Blätter und Blütenknospen durch die harte Erde und durch den kalten
Schnee und fing an zu blühen. Und siehe da, es kam gerade so, wie es
der Frühling vorausgesagt hatte. Die Sonnenstrahlen wärmten noch
wenig, und der Schnee, der es rings umgab, und die kalte rauhe Luft,
die für andere Blumen Tod und Verderben gewesen wären, färbten die
Blätter des Schneeglöckchens mit einem herrlichen Grün, und seine Blüten
mit reinem Schneeweiß. Es fror nicht, sondern war ganz warm und
frohen Mutes, so daß es sich seiner ersten Furcht schämte und wohl ein-
sah, wie der liebe Gott alles machen kann, wie er will.
213. Frühlings Ankunft.
(Vulpius.)
Der Lenz ist angekommen.
Habt ihr es nicht vernommen?
Es sagen's euch die Vögelein,
es sagen's euch die Blümelein:
„Der Lenz ist angekommen!"
Ihr seht es an den Feldern,
ihr seht es an den Wäldern:
der Kuckuck ruft, der Finke schlägt,
es jubelt, was sich froh bewegt:
„Der Lenz ist angekommen!"
Hier Blümlein ans der Heide,
dort Schäflein auf der Weide —
ach, seht doch, wie sich alles freut!
Es hat die Welt sich schön erneut:
„Der Lenz ist angekommen!"
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226. Klage des Hasen.
(Curtman.)
Ich armer verfolgter Hase, was soll ich noch anfangen, wohin mich
flüchten? Allenthalben droht mir der Tod. Nicht bloß der Jager und
sein Hund stellen mir nach, Raubvögel aus der Lust stürzen auf mich
herab, Füchse aus den Höhlen schleichen mir nach, selbst Katzen und Raben
wagen sich an meine Jungen. Und nichts gewährt mir Schutz vor all
diesen Verfolgern. Ich kann nicht auf Bäume klettern, wie das Eichhorn,
nicht in Höhlen schlüpfen wie meine Gebrüder, die Kaninchen. Ich habe
wohl Zähne zum Nagen, und mancher Baum kann von der Schärfe der-
selben reden, aber zum Beißen, zur Verteidigung fehlt mir der Mut.
Höre ich ein Geräusch, sogleich muß ich meine langen Ohren in die Höhe
recken und horchen, wer kommt, und kann ich mich nicht in eine Hecke
oder Furche ducken, so lause ich lieber, so weit mich meine Beine tragen.
Es ist wahr, im Laufe holt mich so leicht keiner ein, es müßte gerade
ein Windspiel sein; auch au Kreuz- und Quersprüngen lasse ich es nicht
sehten, um meine Feinde rrre zu führen, aber was hilft es mir? Ehe
ein Jahr vergeht, bin ich doch ein Kind des Todes. Entweder paßt mir
der Jäger auf, wenn ich des Abends aus dem Walde komme und meinen
Hunger an dem fetten Grase stillen will. Da sitzt er in der Dämmerung
hinter einer Mauer oder einer Hecke, und ehe ich micksts versehe, knallt
sein Gewehr, lind ich habe das tödliche Schrot im Leibe. Habe ich noch
Leben genug, um dem Walde zu zu fliehen, flugs kommt auch noch der
Hühnerhund, packt mich unbarmherzig und trügt mich seinem grausamen
Herrn zu; quieke ich dann in der Todesangst vielleicht ein wenig, so werde
ich noch ausgelacht. Im Winter verfolgen sie meine Spuren im Schnee,
oder füllen den Wald und das Feld mit häßlichen Treibern, welche klappern
und schreien, bis wir armen Hasen unseren Zufluchtsort verlassen und
vor die offenen Gewehre der Jäger laufen. Und wär' unser Tod noch
ehrenvoll und würden wir ehrlich begraben wie ein Hund oder ein Pferd!
Allein unser Los ist, in die Küche zu wandern. Da streift uns die blutige
Hand einer Köchin den Balg ab und stopft ihn aus, bis er verhandelt
wird. Unser Kopf, unsere Beine und Eingeweide werden in einem braunen
Pfeffer zerkocht, und der Rest, das Beste an uns wird mit Spicknadeln
zerfleischt und dann erst gebraten. Nachdem die Menschen unser Fleisch
abgeschält und verzehrt haben, werfen sie die Knochen ihren Hunden vor.
Nein, es ist ein jämmerliches Schicksal, ein Hase zu sein!
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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